Vom Push zum Peak 007: Krisensitzung bei Firma Niegel und Nagelneu, denn es will keine Weihnachtstimmung aufkommen. Das Team ist zerstritten, weil viel zu wenig Kunden die Einladung beantwortet haben. Dr. Oberhaupt beendet die Diskussionen um die Weihnachtsfeier mit einer Abstimmung.
Das Montagsmeeting in der KW 51 schleppt sich dahin. Der Firmenchef Dr. Oberhaupt wirkt gereizt und blickt miesgelaunt in die Runde. Volker Schieber stützt seinen „Head of Sales“ in die Hände und klagt über Kopfschmerzen. „Weihnachstsmarkt ‑After Sales?“ flüstert Lena ihrer Kollegin Doris Dauer zu, und nickt mit einer kurzen Kopfbewegung in Richtung Vertriebschef. Die Angesprochene grinst kurz, bevor der Chef ihre Reaktion bemerken kann. Sofort macht sie wieder ein ernstes Gesicht. Auch Mark Etinger, der Marketingchef blickt heute angestrengt in seine Unterlagen und versucht sich irgendwie unsichtbar zu machen.
„Nun Kollegen, die Lage sieht nicht gut aus“, fasst Dr. Oberhaupt die bisherige Sitzung zusammen. „Wenn ich die Zahlen von Frau Dauer richtig verstanden habe, haben von den 480 angeschriebenen Kunden nur 73 geantwortet. 54 haben dankend abgelehnt, so dass wir bis heute 19 Zusagen erhalten haben. Die Weihnachtsfeier ist für Donnerstag den 21.12. angesetzt Sollen wir aufgrund dieser Zahlen die Feier abblasen oder nicht?“
Sollen wir die Feier abblasen oder nicht?
„Ick hab doch gleich gesagt, dass dat neue Konzept bei unseren Kunden nicht ankommt“, meldet Volker Schieber sich zu Wort. “Die wollen wat Reelles. Einen Bauernschinken oder so wat in die Richtung“. Er stöhnt einmal kurz auf, bevor er seinen Kopf wieder auf den rechten Arm aufstützt.
„Ja, aber warum sollen wir Kunden etwas schenken, wenn sie von uns gar nichts haben wollen?“ meldet Lena sich: „Wer nur die Geschenke abgreifen will, ohne echtes Interesse an unserer Firma zu haben, der hat weder Wurst noch Schinken verdient“. „Die Wurst ist doch Wurst“, fällt Ingo Fakt, der Produktionsleiter der Assistentin ins Wort. „Was WIR wollen ist doch völlig unwichtig, wichtig ist doch was die Kunden wollen“. „Ah ja prima“, giftet Lena zurück, „Und was wollen die Kunden?“. Wütend schnaubt sie mit der Nase. „Solange wir jetzt hier über das Thema diskutieren, hat noch niemand sagen können, was die Kunden denn tatsächlich wollen. Und durch den Fragebogen haben wir das auch nicht raus bekommen. Dazu haben viel zu wenig geantwortet“.
Wir müssen eine Entscheidung treffen
„Ich hab´ da eine Idee“, sagt Mark Etinger. Er hebt kurz den Arm und setzt gerade an weiter zu sprechen, als Dr. Oberhaupt ihn unterbricht. „Kollegen“, sagt der Firmenchef. „Genug der Worte, wir brauchen hier jetzt keine lange Diskussionsrunde mehr, sondern müssen eine Entscheidung treffen. Ich möchte jetzt jeden einzelnen bitten, hier kurz zu sagen, ob wir die Feier abblasen sollen, oder ob die Feier auch mit weniger als 20 Kunden stattfinden soll?“. Mit einer kurzen Handbewegung fordert er den Ingenieur, der rechts neben ihm sitzt, zum Sprechen auf. „Also ich bin für Abblasen“, sagt Ingo Fakt und räuspert sich. „Meiner Meinung nach ist es zu peinlich, einen großen Weihnachtsevent anzukündigen, und dann nur 25 Leute zu bewirten“. Er will weitersprechen „Und außerdem…“. Aber Dr. Oberhaupt gibt dem Vertriebschef ein Handzeichen. „Schieber, was sagen Sie?“
Nicht noch´n Punsch
Der Vertriebschef reibt sich mit der Hand über die Augen und sagt: „Also ich denke auch, dass wir die Feier sausen lassen sollten.“ „Die Leute haben doch schon genug von Weihnachten, bevor dat Fest überhaupt losgeht. Ick kann schon verstehen, dass die nich´ noch ´n Punsch trinken wollen, soviel wie die schon in den letzten Wochen zu sich nehmen mussten. Und dann auch noch so kurz vor den Ferien, da hat doch sowieso niemand mehr Bock auf Weihnachtsfeier, weil er mit Grausen daran denkt, was er zu Hause noch alles vorbereiten muss, bevor es festlich wird. “.
Dr. Oberhaupt fordert Lena auf, weiter zu sprechen. „Also mir geht es wirklich nahe, dass wir so wenig von unseren Kunden wissen“, antwortet die Assistentin. „Ich stelle mir vor, dass jeder von uns vier bis fünf Kunden in lockerer Atmosphäre befragen könnte, und dann wissen wir doch hinterher schon eine Menge mehr als jetzt. Für mich ist die Feier ein guter Grund, in kleiner Runde miteinander ins Gespräch zu kommen. Ich stimme für die Weihnachtsfeier!“
Wir brauchen Kunden, die wir persönlich anrufen können
Neben Lena sitzt die Chefbuchhalterin. Sie beginnt ihre Antwort mit einem energischen Klicken ihres Kugelschreibers. „Also, wie Sie alle wissen“, setzt sie an, „sind die Zahlen unserer Firma nicht so rosig, sondern vielmehr mit starker Tendenz ins Rot“. Sie räuspert sich. „Deswegen denke ich, dass wir in nächster Zeit dringend gute, persönliche Kontakte zu unseren Kunden brauchen. So wie das früher zwischen Unternehmen üblich war, als es noch kein Internet gab“. Und sie schaut verächtlich zu Ingo Fakt, der nebenbei auf seinem Handy rum tippt.
Sie fährt fort: „Kontakte, die sich nicht per E‑Mail pflegen lassen, sondern darauf beruhen, dass wir unsere Kunden wirklich persönlich kennen und anrufen können, wenn es mal eng wird. Ich hätte zwar auch lieber mehr Gäste, aber besser die Wenigen, als gar keine! Aus diesem Grund stimme ich für die Weihnachtsfeier.“
Nächstes Jahr gibt es auch ein Weihnachten
Nach diesem Statement geht das Wort an den Marketingchef. Dieser beißt sich nervös auf die Lippen, bevor er antwortet: „Also, meiner Meinung nach, war die Idee zwar ganz gut, aber irgendwie nicht richtig vorbereitet“, und er streicht sich mit der Hand eine Strähne seiner rotblonden Haare aus der Stirn. „Wir hatten viel zu wenig Informationen, welche Kunden wir einladen sollten, und was wir denen dann auch schreiben könnten. Ich finde, wir sollten die Feier in diesem Jahr ausfallen lassen, und einfach auf das nächste Jahr verschieben. Dann gibt es ja wieder Weihnachten, und wir können dann eine richtig coole Party mit allem Drum und Dran veranstalten. Vielleicht gibt es dann auch mehr Preise und wir können eine echte Tombola veranstalten…?“
Die Runde ist am Ende und alle Augen richten sich auf den Firmenchef. Zwei gegen drei Stimmen für das Weihnachtsfest. Wie wird der Chef entscheiden? Jetzt wäre die richtige Gelegenheit, den Fehler unauffällig aus der Welt zu räumen. Was für eine blöde Idee, Kunden zu einer gemeinsamen Weihnachtsfeier einzuladen, und dann auch noch so kurzfristig vor Heiligabend. Es war doch klar, dass das nicht klappen würde. Der CEO könnte sich in diesem Augenblick der Meinung seines Teams anschließen und die Feier ersatzlos streichen.
Ich träume davon, dass wir mit Kunden und Partner zusammenarbeiten
Dr. Oberhaupt faltet die Hände vor seiner Brust zusammen und räuspert sich. „Liebe Kollegen“, sagt er und blickt langsam einmal um die Runde. „Ich danke Euch für diese ehrliche Stellungnahme. Sie haben recht, dass die Idee für die Feier kurzfristig, spontan und etwas unkoordiniert in die Welt gekommen ist. Aber Sie wissen doch — wer das tut, was er schon immer getan hat, wird auch das bekommen, was er schon immer bekommen hat. Ich möchte, dass sich in dieser Firma etwas ändert. Ich möchte, dass wir spontaner, menschlicher und offener füreinander werden. Ich träume davon, dass wir mit Kunden und Partnern vertrauensvoller zusammenarbeiten. Ich träume davon, dass wir moderner und innovativer arbeiten, ich träume davon, dass wir den Turnaround schaffen, und im nächsten Jahr mit neuen Produkten und Services erfolgreich werden.”
Der Chef erhebt sich und seine Stimme beginnt zu zittern: „Ich glaube daran, dass wir es schaffen können, wenn alle mitarbeiten und wir die Zukunft als gemeinsame Herausforderung verstehen. Und so bitte ich Sie innigst um Ihr Ja! Diese Weihnachtsfeier soll der Beginn für eine neue Epoche unserer Firma sein, in der wir neue Horizonte erreichen“.
Das ist ja fast wie Weihnachten!
Die Mitarbeiter sehen sich betroffen an. So eine Rede haben sie noch nie von ihrem Chef gehört. „Das ist ja fast wie Weihnachten!“ raunt Etinger, Lena zu. Doris steht auf und erhebt ihr Glas mit Mineralwasser und ruft dem Chef zu: „Herr Dr. Oberhaupt, ja wunderbar, die Weihnachtsfeier wird stattfinden!“ Und auch Lena steht auf und ruft dem Chef zu, dass sie dabei ist. Die übrigen Mitarbeiter stehen zögernd nach und nach auf und beginnen vorsichtig zu klatschen, bis der Applaus die ganze Runde minutenlang erfasst.
Vom Push zum Peak 007