Vom Push zum Peak 009: Dr. Oberhaupt sitzt am Schreibtisch und beantwortet seine Weihnachtspost. Er wünscht allen seinen Kunden frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr! Aber ist es dies, was seine Kunden wirklich wollen? Kurzentschlossen greift er zum Telefon.
Samstagabend vor Weihnachten. Dr. Carl Ernst Oberhaupt sitzt in seinem Büro und beantwortet die E‑Mails, die er von seinen Kunden bekommen hat. Er schreibt: „Frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr 2018“, an seinen langjährigen Freund Emil Winterbier. Bis hierhin war der Brief einfach, doch was schreibt man dann? Einen Gruß an die Ehefrau? Viel Erfolg für´s Neue Jahr? Hoffentlich treffen wir uns bald mal wieder…? Er schreibt, löscht die letzten Worte und beginnt von vorn. Ihm scheinen alle Floskeln unpassend, denn schließlich handelt es sich bei Emil Winterbier um seinen Studienfreund, mit dem er vor 35 Jahren seine Studentenbude teilte. Der kurze Brief entwickelt sich zu einer längerdauernden Aufgabe. Entnervt speichert Dr. Oberhaupt die frisch begonnene E‑Mail unter „Entwürfe“ ab und wendet sich einer neuen Mail zu. Dabei denkt er sich: „Vielleicht schicke ich dem Emil doch nur eine Whatsapp, — da gibt es die Videos mit den besinnlichen Weihnachtsgrüßen schon fix und fertig und ich brauche sie nur weiterzuleiten…“
Was will der Kunde Nörgelfrey?
Oberhaupt öffnet die nächste Mail. Ernst Nörgelfrey, der Kunde, der spontan eine Kiste edlen Moselwein zur Weihnachtsfeier spendiert hatte, wünscht ihm Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins Neue Jahr. Oberhaupt überfliegt die Zeilen und will die Mail gerade wieder schließen. Doch dann hält er inne. Statt der üblichen freundlichen Floskeln, schreibt Nörgelfrey plötzlich Klartext. Überrascht schiebt Oberhaupt seine Brille zurecht und liest noch einmal ganz genau: „…ich hatte gehofft, dass wir auf der Weihnachtsfeier, in Ihrem Hause, über das Problem mit den Lochblechen sprechen könnten, um die Geschichte in gemeinsamen Einverständnis zu lösen, doch die Arroganz Ihrer Mitarbeiter hat mir gezeigt, dass bei Ihnen offenbar überhaupt kein Interesse an echter Kundenzufriedenheit besteht… Hochachtungsvoll E. Nörgelfrey.
Dr. Oberhaupt ist irritiert. Was will der Kunde? Was meint er? Wieso Arroganz? Die Weihnachtsfeier war doch ein wunderbar harmonischer Abend gewesen. Es haben mehr als 50 Leute in dem kleinen Besprechungszimmer gesessen und wir haben Sekt, Rotwein und Glühwein getrunken. Nörgelfrey hatte ihm zugeprostet. Oberhaupt streicht sich durch die Haare. Was will der Kunde wirklich?
Und was ist mit Kundenzufriedenheit?
Kurzentschlossen greift Dr. Oberhaupt zum Telefon. „Guten Abend, Herr Fakt“, sagt er als sein Produktionsleiter ans Telefon geht. „Tut mir leid, dass ich Sie am Samstagabend störe, aber wir haben ein Problem!“ „Oh Guten Abend Chef, kein Problem, was gibt’s?“ antwortet der Chefingenieur, ohne direkt auf die Aussage des Chefs einzugehen. Oberhaupt konstatiert, dass der Angesprochene offensichtlich auch keinen Gedanken an Missklang mit dem Kunden hat. „Also, es geht nochmals um den Kunden Nörgelfrey“, sagt er langsam. „Nörgelfrey behauptet, wir seien arrogant und ich weiß nicht, weshalb er nach dieser harmonischen Weihnachtsfeier zu dieser Ansicht kommt. Können Sie mir das erklären? Schließlich haben Sie doch mit ihm die ganze Zeit Glühwein getrunken, da muss doch was vorgefallen sein?“
Der Kunde steht bei uns im Mittelpunkt
„Nein, also ich weiß nicht, wieso er zu diesem Urteil kommt“, antwortet Fakt. „Ich habe ihm erzählt, dass wir Experten im Gebiet der Blechumformung sind, dass es unsere Firma schon seit 28 Jahren gibt, dass wir immer alle Aufträge zur größten Kundenzufriedenheit durchführen und dass der Kunde bei uns im Mittelpunkt aller Aktivitäten steht.“ Dr. Oberhaupt hört die Worte seines Ingenieurs und versteht sie dennoch nicht. Der Ingenieur fährt fort. „Außerdem, habe ich Herrn Nörgelfrey erzählt, dass wir aufgrund unserer modernen Maschinen besonders preiswert fertigen können und dass…“ „Hallo Herr Fakt,“ unterbricht ihn sein Chef. „Was hat Ihnen Herr Nörgelfrey erzählt? Ich weiß, was wir können, aber was will der Kunde?“
Genau das habe ich dem Kunden erzählt
Der Ingenieur stutzt: „Wieso, der Kunde will einen modernen Dienstleister, und genau das habe ich ihm doch erzählt.“ Dr. Oberhaupt wird ungeduldig. „Fakt, wenn Sie am Sonntagmorgen Appetit auf frische Brötchen haben, wollen Sie dann eine Frischbackstube, oder frische Brötchen?“, „Äh wieso, die Frage verstehe ich nicht“, fragt der Ingenieur verwirrt. „Was haben die Brötchen mit Herrn Nörgelfrey zu tun?“. Dr. Oberhaupt seufzt: „Also ein Kunde möchte ein Problem gelöst oder einen Zustand beendet haben. Z.B. möchte er am Sonntag Morgen frische Brötchen essen, hat diese aber nicht im Hause – Dies ist sein Problem. Welcher Dienstleister würde nun das Bedürfnis des Kunden am besten befriedigen? Der Bäcker, der ihm gleich die ganze „Ihre Frischbackstube“ offeriert? Derjenige, der ihm preiswerte, herabgesetzte Brötchen vom Vortag anbietet, der Bäcker vom Bahnhofsvorplatz zu dem er hinfahren muss, oder ein Brötchenbringservice, der ihm die Brötchen vor die Haustür bringt?“
Zum doppelten Preis
„Wahrscheinlich der Brötchenbringservice…“ sagt Fakt zögernd, und Dr. Oberhaupt kann vor seinem inneren Auge sehen, wie der Ingenieur bedächtig den Kopf hin und her schüttelt. „Genau“, sagt Dr. Oberhaupt. „Der Brötchenbringservice kann seine Ware bestimmt zum doppelten Preis verkaufen, als der Bahnhofsbäcker – vorausgesetzt er bekommt es hin, dass die Ware zeitnah beim Kunden ankommt.“
Oh Chef, wenn Sie das so sagen
„Aber dennoch habe ich nicht verstanden, weshalb der Bäcker unser Problem ist?“ sagt Fakt. „Mann Fakt!“, braust der Chef auf. „Entscheidend ob ein Kunde zufrieden ist, ist doch nicht was der Dienstleister anbietet, sondern ob sein Problem gelöst wird!“, „Ja stimmt wohl“, stimmt der Angesprochene zu. „Also, haben Sie jetzt den Nörgelfrey gefragt, was sein Problem ist, damit wir es lösen können?“, schnaubt Dr. Oberhaupt. „Ich glaube, Sie haben vor lauter Verkaufen vergessen zu fragen, was die Firma Nörgelfrey überhaupt braucht!“, „Oh Chef, wenn Sie das so sagen, dann hab´ ich wohl was falsch gemacht.“, sagt Fakt kleinlaut.
Was will er denn jetzt? — Fragen Sie den Kunden!
Der Firmenchef von Firma Niegel & Nagelneu atmet tief durch und bemüht sich, dem Telefongespräch zum Ende hin eine versöhnliche Wendung zu geben. „Fakt, Sie rufen direkt nach Weihnachten Herrn Nörgelfrey persönlich an und verabreden sich zu einem Termin mit ihm in SEINEM Hause. Dort halten Sie den Mund und lassen sich die Produktion des Kunden erklären und wenn möglich zeigen. Ich möchte in spätestens zwei Wochen drei Vorschläge von Ihnen hören, wie wir die Produktion von Nörgelfrey optimieren können! Hören Sie zu! Versetzen Sie sich in seine Lage! Und dann wenden Sie Ihren Gehirnschmalz darauf, was wir für IHN tun können! Haben Sie mich verstanden?“
Der Ingenieur schluckt und bestätigt den Auftrag: „Aye Sir, verstanden!“, „Gut, Herr Fakt, dann wünsche ich Ihnen frohe Weihnachten!“ und einen kleinen Moment später, „Auch wenn ich gar nicht weiß, ob Sie das überhaupt wollen.“, gluckst Dr. Oberhaupt, in Anlehnung an das Gespräch und die unbekannten Bedürfniswünsche von Kunden. Der Ingenieur lacht erlöst auf: „Klar Chef, ich wünsche Ihnen auch frohe Weihnachten!“, Dr. Oberhaupt grinst ebenfalls und beendet das Gespräch, indem er auf den roten Button an seinem Telefon drückt.
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