Vom Push zum Peak — Folge 002: Immer noch wurde nicht geklärt, wie die Kunden denn nun zu Weihnachten beschenkt werden sollen. Doch die Zeit drängt… Da hat Lena eine gute Idee!
Donnerstag d. 30. November,
„Ah, da kommen ja die Kekse!“ zufrieden blickt Dr. Oberhaupt auf das Tablett mit dem Schokoladengebäck, das seine Assistentin Lena direkt vor ihm auf den Tisch stellt. „Dann können wir endlich anfangen, wir sind spät dran!“ Dann blickt er in die Runde, als ob er vor seinem inneren Auge abzählt, ob alle vollständig sind.
Das außerplanmäßige Meeting für Donnerstagnachmittag war angesetzt worden, um die dringende Frage zu klären, was für Geschenke die diesjährige Weihnachtskampagne begleiten sollen. Da Weihnachten nur noch wenige Wochen entfernt liegt, drängt die Entscheidung. Unruhig scharrt der Chef mit den Füssen, da er um 15.00 Uhr bereits einen wichtigen Kundentermin hat.
„Fangen wir an“, wiederholt er seine Aufforderung und richtet seinen Blick auf Lena: „Lena, Sie sollten uns drei Geschenkideen aus dem Katalog raussuchen, was wir unseren Kunden in diesem Jahr schenken könnten. Was haben Sie uns für die unterschiedlichen Zielgruppensegmente mitgebracht?“ Die Angesprochene holt nervös ihren Zettel aus der Mappe hervor und beginnt: „Also ich habe mir gedacht, wir stellen das ganze unter die Kampagne ´Wir lassen Sie im nächsten Jahr richtig gut aussehen!´ oder so ähnlich…“ Sie blickt um Zustimmung bittend in die Runde, aber sie kann die Gesichter der Kollegen nicht entschlüsseln. Sie atmet tief durch und fährt dann entschlossen fort. „Also deshalb habe ich drei unterschiedliche Geschenk-Sets ausgesucht Einmal eine Nagelpflege-Set mit Seidenpolitur und Pflegecreme vom toten Meer. Als zweites schlage ich vor ein Autopflege-Set mit Glanz-Poliercreme und echtem Wischleder. Als drittes habe ich mich für ein Sauna-Set mit Eukalyptus-Balsam und einem Massagehandschuh entschieden.“ Die Herren der Runde schauen sie fassungslos an. „Ein Nagelpflege-Set?“ entfährt es Volker Schieber, dem Vertriebschef, „für unsere Kunden?“. „Naja wieso denn nicht?“ Fragt Lena leicht gekränkt zurück: “ Es wollen doch nicht alle Kunden ihre Autos putzen, oder nicht?“ „Ja aber, so etwas schenkt niemand seinen Kunden zu Weihnachten“, stimmt Dr. Oberhaupt dem Kollegen zu. „Das haben wir noch nie gemacht,“ bekräftigt Ingo Fakt, der Produktionsleiter. „Stimmt, aber das ist doch gerade der Sinn der Sache“ antwortet Lena. „Wenn wir das tun, was wir immer tun, dann bekommen wir auch nur die Ergebnisse, die wir immer schon bekommen haben.“
Verschiedene Kunden, verschiedene Wünsche
Verwirrt blicken die drei Männer zu ihr über den Tisch. Dr. Oberhaupt greift gedankenverloren zum Keksteller. „Wieso, was für ein Ergebnis bringt denn eine Weihnachtskampagne?“ beendet Volker Schieber das Schweigen. „Ja, Mann, das ist doch offensichtlich. Wir wollen unseren Kunden eine Freude machen, damit sie im nächsten Jahr mehr bei uns kaufen, oder nicht? Das ist doch unser gewünschtes Ergebnis.“ Lena hebt fragend die Hände nach vorne. Dann schaut sie auf ihre gepflegten, roten Fingernägel und sagt trotzig. „Also ich würde mich über ein Nagelpflege-Set vom Toten Meer freuen“. Schieber antwortet gereizt: „Also wir sind hier doch nicht auf… äh bei „Wünsch dir was!“ (Den Ponyhof konnte er sich gerade noch verkneifen) Hier geht es ums Geschäft!“ Lena, will gerade antworten, als Dr. Oberhaupt dazwischen fährt. „Gut, also Lena, können Sie uns kurz noch einmal erklären, weshalb Sie diese drei Geschenke ausgesucht haben? Ganz ehrlich, ich habe es auch nicht verstanden.“
„Lena richtet sich gerade auf ihrem Stuhl auf und sagt: „Das Zauberwort heißt Zielgruppensegmentierung: Nicht alle Menschen mögen Schokolade, und nicht alle Menschen freuen sich über Autopolitur. Dann wiederum gibt es andere, für die wäre ein echter Lederlappen das Größte. Und wenn sie dann auch noch eine teure Polishcreme dazubekämen, dann wären sie glücklich!“ und sie sieht ganz bewusst Herrn Fakt an, der normalerweise nie ein Hehl daraus macht, dass er einen Porsche Carrera in der Garage stehen hat, und jede freie Minute mit seinem „Prachtstück“, wie er es nennt, verbringt. Der Ingenieur stützt den Kopf auf die Hände und sagt dann unerwartet sanft: „Ja das stimmt, ich fände ein Pflegeset für mein Auto gar nicht so schlecht.“ Lena nickt und sagt: „Ich meine, wir sollten unseren Kunden etwas Persönliches schenken. Etwas, über das sie sich wirklich freuen, und nicht irgendwas Blödsinniges, das sie beim nächsten Schrottwichteln sowieso gleich wieder weiterschenken. Dann können wir uns das Geld auch sparen. “ Lena verschränkt die Arme auf der Tischplatte und blickt trotzig in die Runde.
Segmentieren wir unsere Kunden
„Etinger, was haben Sie gedacht, was wir unseren Kunden zu Weihnachten schenken sollten?“ fragt der Firmenchef und greift erneut zum Keksteller. Der junge Marketingchef antwortet umgehend. „Den Vorschlag von Lena, unsere Zielgruppen zu segmentieren, finde ich richtig gut. Wir haben jedoch das Problem, dass wir gar nicht wissen, wer sich was wünscht? Nur anhand des Alters oder des Geschlechts kann man noch lange nicht herauslesen, wer eine Autopolitur oder wer ein Sauna-Set besser findet, oder nicht?
Ich schlage vor, dass wir unsere Kunden in drei Gruppen A, B, und C unterteilen. Die C-Kunden wollen wir eigentlich gar nicht haben, weil die immer nur Schwierigkeiten machen und weil wir an denen nichts verdienen. Ich finde es reicht, wenn wir denen eine Weihnachtskarte schicken.“ Der Vertriebschef guckt ihn verwundert an, doch Etinger lässt sich von seinem Kollegen nicht aus dem Konzept bringen. „Die B-Kunden sind diejenigen, die ganz OK sind. Die machen unser Tagegeschäft, aber bringen uns auch nicht weiter. Die bringen uns Standardaufträge, aber keine Innovationen. Für diese Kunden reicht ein guter Kugelschreiber mit unserem Firmenaufdruck. Und dann gibt es noch eine kleine Gruppe von Kunden, die uns wirklich die Chance geben, mit ihnen zu wachsen. Das wären meine 1A-Lieblingskunden und denen würde ich was richtig Gutes spendieren. Warum nicht einen Serranoschinken oder einen echten Schweizer Käse?“
Segmentierte Kunden
Der Firmenchef blickt überrascht zu seinem Mitarbeiter, die Antwort hatte er nicht erwartet. Doch dann nickt er nahezu unmerkbar mit dem Kopf. „Schieber, was sagen Sie?“ sagt er dann plötzlich zu seinem Vertriebschef. „Also ich habe meine Datenbank durchgeforstet und die Kunden ebenfalls in drei Gruppen segmentiert“, antwortet der Vierzigjährige. Wir haben insgesamt 1.382 Kunden in unserem CRM-System. Mit 1.105 Kunden, die würde ich als C-Kunden bezeichnen, machen wir so Kleinaufträge, reine Durchlaufaufträge. Diesen Kunden würde ich einen Kalender im Wert von 1,49 € schenken. Dann haben wir 249 Kunden, die würde ich als B-Kunden bezeichnen. Die bringen uns das Brot- und Buttergeschäft. Also ich meine so Serienproduktionen, die man verlässlich planen kann und wo auch mal ein bisschen was an Geld hängen bleibt. Hier würde ich ein bisschen mehr ausgeben. Mein Vorschlag wäre eine Schmuckdose mit Pralinen, sagen wir mal so im Wert von 3,99 €. Und dann gibt es ein paar wenige Kunden, genauer gesagt 28, denen würde ich was wirklich Schönes schenken. Wie wäre es mit einem Modellbahn-Sondermodell. Habe ich gerade eins gesehen für 399,- €“. Bei dieser Summe zucken die anderen, einschließlich der Chefbuchhalterin Doris Dauer zusammen. „Ist das nicht zu teuer?“ fragt sie tonlos. “Das sind ja fast 12.000€!“ „Nee, wieso?“ verteidigt sich der Vertriebschef. „Wenn Lena für 1.382 Kunden jeweils 10 € für ein Wellness-Paket ausgeben will, dann kommen wir doch auf den gleichen Preis. Bei mir bekommen doch die anderen Kunden nur Leckerlies.“
Herr Oberhaupt schaut auf die Uhr. „Verdammt, ich muss los!“, sagt er und erhebt sich. „In zehn Minuten kommen die Herren von der Firma Kolibri und Specht, wir wollen die Planung für das nächste Quartal machen.“ Schnell greift er sich noch einen Keks und sagt dann mit vollem Mund: „Wir treffen uns Montag wieder. Bis dahin finden Sie bitte eine Lösung, wie wir eine Lösung finden!“ und verlässt eilig den Raum.
Vom Push zum Peak 002