Vom Push zum Peak 005: Die Firma Niegel & Nagelneu hat ihre Kunden zu einer großen Weihnachtsfeier eingeladen. Während das Team die Feier vorbereitet, kommen viele Fragen auf: Was ziehe ich an? Wie viel Gläser Glühwein sind erlaubt? Und darf man das Du vom Chef erwidern? Was sagt der Firmenweihnachtsfeier Knigge? Und was denken Sie?
Montag d. 11. Dezember,
Es ist Montagvormittag, Lena balanciert einen hohen Stapel von Briefen und Päckchen in das Büro ihrer Kollegin. „Puh guck mal, wieviel Pakete der Chef bekommt, alle Geschenke von Firmen, bei denen wir einkaufen.“ Doris, guckt von ihrer Tastatur auf. „Das sieht aus wie Bescherung, dabei sind es doch noch zwei Wochen hin“. Doris zuckt mit den Schultern und will sich wieder ihrer Arbeit zuwenden. „Ja, aber guck doch mal, hier sind auch noch Karten und Briefe!“, sagt Lena und hält den Stapel hoch.
Ist doch jedes Jahr das gleiche
„Ist doch jedes Jahr das gleiche“, knurrt Doris. “Immer kurz vor Jahresende fällt den Leuten ein, dass man Geschäfte nicht alleine machen kann, sondern Kunden und Kontakte braucht, um Geld und Waren austauschen zu können. Egal wieviel Technik in den Unternehmen zum Einsatz kommt. Menschen kaufen immer noch von Menschen! Da hilft auch keine Digitalisierung oder X‑Mas 4.0!“.
„X‑Mas 4.0?“ fragt Lena, und lässt den Poststapel auf den Tisch fallen. „Was soll das denn sein?“ Doris rollt mit dem Stuhl ein Stück zurück und dreht sich ihrer Kollegin zu. „Ich weiß nicht, ob Du dir das vorstellen kannst – aber ich habe Weihnachten noch zu einer Zeit erlebt, als die Menschen ihre Geschenke nicht bei Amazon bestellt haben und man keine Download- oder Streaming-Gutscheine als „persönliches Geschenk“ bekommen hat. Damals, als es noch keine Handys gab, da sind die Menschen tatsächlich zu Fuß in die Innenstadt gegangen und haben sich Face-to-Face mit einem Verkäufer unterhalten und dann nach sorgfältigen Überlegungen ganz individuelle Geschenke ausgesucht.
Glaubst Du, da ist irgendwas persönliches drin?
Guck Dir die Pakete von den Firmen da in dem Stapel doch an. Glaubst Du, da ist irgendetwas wirklich persönlich an unsern Dr. Oberhaupt gerichtet? Der ist in einer Kundendatenbank gelistet, der Auftrag geht an einen Lieferservice und – Peng! – kriegt er auf Knopfdruck eine Weihnachtskarte. Und das soll dann persönlich sein? Das merkt doch jeder Schwachkopf, dass diese Karten und Geschenke anonyme Fließbandproduktionen sind. Na danke, mir ist das zu wenig. Da will ich lieber nichts bekommen. Man schmeißt das Zeug doch sowieso gleich wieder weg.”
Lena ist gedankenverloren stehen geblieben. Sie legt den Kopf schräg und betrachtet ihre Kollegin. „Du meinst also, dass die Entscheidung von unserm CEO (die interne Abkürzung für den Firmenchef Dr. Carl Ernst Oberhaupt), in diesem Jahr keine Geschenke zu versenden richtig gut war?“ Doris nickt zufrieden mit dem Kopf: „Auf jeden Fall war es mal ein Zeichen gegen diesen zunehmenden Konsumrausch.“ Es wird Kunden geben, die diese Entscheidung völlig blöd finden. Aber es wird auch ein paar geben, die sich durch die Störung vom „Same- procedure-as-every-year“ daran erinnern, dass sie es eigentlich auch besser finden, wenn sich Menschen direkt besuchen, anstatt sich E‑Mails zu schreiben.“ Sie endet mit einem energischen Ausatmen und will sich wieder ihrem PC zuwenden.
Firmenweihnachtsfeiern stärken das Dazugehörigkeitsgefühl
Lena, die angefangen hat, die Post auf verschiedene Stapel zu sortieren, nimmt die aktuelle Ausgabe der Wirtschafts Woche in die Hand. „So überstehen Sie das Weihnachtsessen in der Firma“,
liest sie vor. „In vielen Unternehmen werden jährlich Weihnachtsfeiern veranstaltet, um das Dazugehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter zu stärken,“ liest sie weiter. „Guck mal, da steht es doch, dass es ganz normal ist, dass die Firmen Weihnachtsfeiern veranstalten.“ Doris seufzt, und denkt daran, wie viele Weihnachtsfeiern sie schon in ihrem Leben gefeiert hat. „Hast du dir schon den richtigen Weihnachtsknigge besorgt?“ fragt sie Lena. „Was ist ein Weihnachtsknigge?“ fragt diese zurück und zieht die Augenbrauen hoch. „Naja“, sagt Doris. „Es soll in jedem Jahr Kandidaten geben, die auf der Weihnachtsfeier ihren Frust zum Ausdruck bringen, und ihrem Chef mal richtig die Meinung sagen wollen. Dies ist natürlich peinlich für alle Beteiligten.“
Gutes Benehmen auf der Firmenweihnachtsfeier
„Aber das hängt doch von der Firma ab, in der man arbeitet“, erwidert Lena. „Wenn man in einer Bank oder einem konservativen, hierarchischen Unternehmen arbeitet, ist das vielleicht unangebracht, aber wenn man in einem aufgeschlossenen Unternehmen arbeitet, kann es doch gut sein, wenn man sich mal die Wahrheit sagt.“ Doris zuckt mit den Schultern. „Ich habe in meinem Berufsleben schon einige Leute erlebt, denen am Tag nach der Feier nicht nur der Kater, sondern auch der Ärger mit dem Chef Kopfschmerzen gemacht hat.“
Sie dreht sich ihrem PC zu hat mit wenigen Klicks die Webseite mit der Weihnachtsfeier-Statistik gefunden. „Hier guck mal, was es alles gibt: Peinliche Fotos machen und dann im Internet posten, oder im alkoholisierten Zustand um eine Gehaltserhöhung bitten“
„Aus meiner Erfahrung kommt das überhaupt nicht gut an“. Beendet sie ihre Überlegungen. Sie klickt noch ein paar Seiten weiter.
Fange keine Büroaffäre an
„Fange keine Büroaffäre an,“ sagt sie plötzlich. Und Lena ist sich nicht ganz sicher, ob sie das so allgemein in den Raum spricht, oder sich an eigene Erlebnisse erinnert. „Auch wenn ein Kollege noch so hinreißend ist, wenn man allein gekommen ist, sollte man auch wieder alleine nach Hause gehen“, bricht es aus ihr hervor. „Das ewige Getuschel der Kollegen und die verkrampfte Stimmung zu dem ehemals netten Kollegen sind keinen einzigen Weihnachtsflirt wert“.
Lena wird neugierig, versucht ihre Neugier jedoch zu verbergen. Irgendwie erscheint es ihr, als ob sie die alte Buchhalterin heute von einer ganz anderen Seite kennenlernt. „War da Alkohol im Spiel?“ fragt sie scheinbar unbeteiligt. „Pah, nur weil es kostenlose Getränke gibt, ist das noch lange keine Aufforderung, sich sinnlos zu betrinken!“, faucht Doris.
Lena ist überrascht. Sie hat Doris noch nie betrunken gesehen, aber ob sie mal was mit einem Kollegen hatte? Aber mit wem? „Aus meiner Erfahrung ist es ein Kollege, der drei Becher Glühwein getrunken hat, definitv nicht witziger, sexier oder interessanter als im nüchternen Zustand,“ beendet Doris das Gespräch. „Mehr will ich dazu nicht sagen!“ Lena schaut sie belustigt an.
Die App für das gute Benehmen auf der Weihnachtsfeier
„Na, da kann ich dir doch etwas von X‑Mas 4.0 empfehlen“, sagt Lena. „Hier, es gibt eine neue App aus Norwegen, die einen vor dem Überkonsum von Alkohol warnen kann.“ sagt sie und zieht ihr Handy aus der Tasche. „Drikkevett. Damit kann man das Handy als Hilfe gegen den Absturz nutzen. Aber ich liebe diesen Zustand der „lykkepromille“. Aus dem Norwegischen übersetzt heißt das in etwa „Glückspromille“. Das ist der Zustand, mit dem man leicht angetrunken super feiern kann, ohne die Kontrolle zu verlieren. Und außerdem spart man dabei unheimlich viel Geld.“ Lachend schiebt Lena ihr Handy wieder in die Jackentasche. „Also ich freue mich auf die Weihnachtsfeier!“ Sie nimmt sich den Packen mit der Ausgangspost und verlässt vergnügt den Raum.
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